Stefan Hecktor streicht mit den Fingerspitzen über die glatte, schwarze Platte. Er habe einfach nicht mehr warten wollen, sagt er. Denn gewartet hat er jahrelang: Darauf, dass es mit einer Solaranlage auf dem Dach seines Blumenladens in Unterliederbach klappen würde. Doch das scheiterte immer und immer wieder an komplizierten Voraussetzungen. Irgendwann habe er sich gesagt: „Deine Kinder sind schon fast groß – und du hast immer noch nicht die Welt gerettet. Jetzt ist es an der Zeit, etwas zu tun, auch wenn es nur was Kleines ist.“
Das „Kleine“ ist 1,70 mal ein Meter, um genau zu sein. Und es steht auf dem Gelände seiner Gärtnerei am Stadtpark in Höchst, auf dem seit neun Jahren das Projekt „Abenteuer Glaube – Kirche im Grünen“ der Pfarrei St. Margareta dazu einlädt, Gott in der Natur zu erleben. Ein einzelnes Solarpanel, 300 Watt, das auch als Balkonkraftwerk bezeichnet wird und das, weil es überschaubar klein ist, ohne große Genehmigungen ans Netz gehen kann.
„Der Preis ist für uns!“
„Wir haben uns im vergangenen Jahr sehr für den Klimaentscheid engagiert, hatten Gesprächsabende, Gottesdienste und Aktionen in der Kirche im Grünen“, berichtet er. „Beten und die inhaltliche Diskussion sind wichtig, aber wir wollten anschließend noch konkreter etwas tun.“ Da kam die „Schöpfungschallenge“, 2022 von der Stadtversammlung der Frankfurter Katholik:innen für klimaförderliche Projekte ausgelobt, genau richtig. „Als ich das gelesen habe, habe ich gedacht: Der Preis ist für uns“, schmunzelt Hecktor.
Das sah auch die Jury so, die die Idee mit dem ersten Preis auszeichnete. 800 Euro gab es für den Sieger. Den Großteil davon investierte die Arbeitsgruppe, bestehend aus Stefan Hecktor, Oswald Bellinger, Bernhard Höfner, Christoph Rozek, Jonathan Hecktor und Ulf Erdmann, mit gut 500 Euro in die Anschaffung des Solarpanels. Dafür fuhr Ulf Erdmann, selbst begeisterter Solarpanel-Besitzer, extra ins pfälzische Boppard, um das Panel dort abzuholen. Das restliche Geld steckte das Team in den Bau eines hölzernen Gestells und das Verlegen eines Stromkabels an die entsprechende Stelle im Garten. Nun steht das kleine Kraftwerk seit einigen Tagen – und produziert bei Sonne genug Energie, um den Betrieb von Kühlschränken, Brunnenpumpen und das Aufladen von Akkus vor Ort in der Kirche im Grünen zu ermöglichen.
Zum Nachmachen motivieren
Gut zehn Prozent des benötigten Stroms kann das kleine Kraftwerk decken, schätzt Hecktor. Der viel wesentlichere Aspekt ist für ihn allerdings, dass die Kirche im Grünen mit dem neuen Panel eine Vorbild- und Demonstrationsrolle einnimmt. „Wir wollen Multiplikator sein, hier demonstrieren, wie es funktioniert, und dazu ermutigen, sich die Anschaffung auch für das eigene Zuhause zu überlegen“, erklärt er. Zahlreiche Aktionen in der Kirche im Grünen informieren in der nächsten Zeit über die Neuanschaffung, denn Hecktors Mission ist klar: Er möchte zum Nachahmen motivieren.
Die Installation ist denkbar einfach: Die Panels gibt es mittlerweile in jedem Baumarkt, oft sogar günstig beim Discounter. Sie müssen sturmsicher aufgebaut oder angebracht und mit einer Steckdose ans Netz angeschlossen werden. Bei Einfamilienhäusern ist es in der Regel kein Problem, ein Panel anzubringen oder aufzustellen, bei Eigentumswohnungen muss (noch) die Eigentümergemeinschaft zustimmen, bei Mietwohnungen der Vermieter. Für die Inbetriebnahme reicht ein Eintrag im Marktstammdatenregister, eine Abnahme ist nicht nötig. Was private Stromproduzenten allerdings wissen müssen: Das Panel speist Strom in den Stromkreislauf auf dem Grundstück ein; was nicht verbraucht wird, geht automatisch ins allgemeine Netz, ohne dass der Stromanbieter dafür eine Vergütung zahlt. Da muss das gute Gefühl genügen, die Stromversorgung in Deutschland ein bisschen grüner gemacht zu haben.
Mit Dr. Markus Mayer ist auch ein Experte in die Kirche im Grünen gekommen, um sich das Projekt anzuschauen. Er berät bei der Lokalen Oberurseler Klimainitiative ehrenamtlich Menschen, die sich für ein Balkonkraftwerk interessieren. „Wir haben sehr viele Anfragen aktuell“, berichtet er. Die Anschaffung eines eigenen Solarpanels habe auf viele Leute den Effekt, dass sie erstmals intensiver über den eigenen Stromverbrauch nachdenken würden. Oft gebe es eine App dazu, mit der man den Verbrauch analysieren und auch sehen könne, welches Gerät wie viel verbrauche – „ein schönes Spielzeug für Technik-Begeisterte.“ Das kann auch Stefan Hecktor bestätigen: „Man setzt sich sehr bewusst damit auseinander, zum Beispiel versuche ich jetzt, Akkus in den Sonnenstunden aufzuladen, indem ich eine Zeitschaltuhr nutze, so dass der Ladevorgang in den Mittagsstunden beginnt.“ Wie gut das bei den Besucherinnen und Besuchern ankommt, zeigt sich auch bei einer Begehung der Stadtversammlung, die das Preisprojekt in Augenschein nimmt. „Ich finde es wunderbar, dass wir hier zu dem Thema zusammenkommen und uns tiefer damit auseinandersetzen“, sagt Marianne Brandt, Vorsitzende der Stadtversammlung der Frankfurter Katholik:innen, nach der Führung. „Da geht bei uns allen gleich der Film im Kopf an, wo wir so etwas daheim nachbauen könnten.“ Auch Heike Seidel-Hoffmann und Michael Streubel, beide von Christians4Future, sind nach Höchst gekommen, um das Balkonkraftwerk zu sehen. Die evangelische Pfarrerin testet es gleich mal, indem sie ihr Ladekabel anschließt. „Wie cool, dass das Sonnenlicht jetzt mein Handy lädt!“
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