Jörg-Harald Werron vom Punctum arrangiert die Rosen in der Vase auf der Anrichte, während Susan Marckhoff und Norbert Cichon, beide Sozialarbeiter bei der Caritas, auf Couch und Sessel Platz genommen haben. Was wirkt wie eine häusliche Szene in einem privaten Wohnzimmer, findet mitten auf der Liebfrauenstraße statt – zwischen eigens errichteten Sperrholzwänden.
Direkt neben dem Punctum, wo normalerweise der Blumenstand seine blühende Ware anbietet, läuft seit Mittwochmorgen die Aktion „Zimmer auf der Straße“. Dafür haben die Sozialpastoral der Katholischen Stadtkirche, das Punctum, der Caritasverband Frankfurt und die Wohnraumoffensive „Mehr als du siehst“ ein Wohn- und Badezimmer unter freiem Himmel errichten lassen.
Im Regal stehen Bücher und Vasen, es gibt Blumen, Kissen und im Freiluft-Badezimmer sogar Toilettenpapier: Durch die Liebe zum Detail, mit der Iris Hagen von der Requisitenabteilung des Schauspielhauses die Kulisse ausgestattet hat, wirkt sie gemütlich und lebensecht. Doch was Passantinnen und Passanten als „köstlich“, „süß“ und „lustig“ kommentieren, hat einen ernsten Hintergrund: Mit dem Blickfang, der sich bewusst an vorbeieilende Passanten richtet und den Jörg-Harald Werron deshalb als „Sekundenperformance“ beschreibt, soll auf die Schwierigkeit hingewiesen werden, die durch den Mangel an bezahlbarem Wohnraum entsteht. Die Aktion geht aus vom Thema der Caritaskampagne 2018, die unter dem Titel „Jeder Mensch braucht ein Zuhause“ stand.
Sich sicher fühlen
„Wir wollen durch den Hingucker im öffentlichen Raum darauf aufmerksam machen, welche Bedeutung ein Zuhause für jeden Menschen hat, wie relevant ein eigener Wohnraum und ein privater Rückzugsbereich sind, in denen man sich sicher fühlen kann“, erklärt Gemeindereferent Werron. Und Stefan Hoffmann, Geschäftsführer des Punctum, ergänzt: „Ein eigenes Zuhause ist ein Stück Würde, das wir Menschen brauchen, um uns sicher zu fühlen. Was fehlt, wenn das nicht vorhanden ist, sehen wir hier in der Innenstadt leider jeden Tag.“ Weil das Thema in Frankfurt keinen Aufschub mehr duldet, hat auch die Stadtversammlung der Frankfurter Katholikinnen und Katholiken bereits im Mai eine Resolution zum Thema verfasst und unterstützt die Petition Mietenstopp (www.petition-mietenstopp.de) gemeinsam mit dem Frankfurter Caritasverband.
Entsprechend sind die 16 Aktionshelferinnen und –Helfer ansprechbar für die Wohnungssorgen und Nöte der Passantinnen und Passanten. Bezahlbare Wohnungen können zwar auch sie nicht aus dem Hut zaubern, wohl aber Adressen, bei denen Menschen, die mit drohender Wohnungslosigkeit konfrontiert oder bereits obdachlos geworden sind, Hilfe finden. Aufgedruckt sind die Links und Ansprechpartner auf lilafarbenen Postkarten, die auf dem Tischlein des Freiluft-Wohnzimmers ausliegen.
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