Die queere Seelsorge in Frankfurt wird fortentwickelt – mit einem neuen Flyer und einer erweiterten Zielgruppe. Das Zweier-Team, das künftig zuständig ist, steht mit einem frischen Blick einerseits und jahrelanger Erfahrung andererseits für Gespräche zur Verfügung.
Ansgar Wucherpfennig und Monika Stanossek sind in Frankfurt für die Seelsorge mit queeren Menschen zuständig. Dieses „Mit“ ist dabei so wichtig, dass es auf dem druckfrischen Flyer groß ganz vorne steht. „Das ,Mit‘ ist deshalb so entscheidend, weil denen, die zu uns kommen, ein Erfahrungsbereich zugänglich ist, den wir nicht kennen“, sagt Ansgar Wucherpfennig, Priester, Jesuit und von Beginn an zuständig für die queere Seelsorge in der Stadt. „Wir müssen also erstmal zuhören und verstehen.“ Seine Kollegin Monika Stanossek begreift das „Mit“ als grundsätzliche Haltung in ihrer Arbeit: „Seelsorge ist nicht dazu da, dem Anderen etwas zu sagen, sondern dazu, ihm zu helfen, den eigenen Weg zu finden. Deshalb ist diese Formulierung ganz wesentlich.“
Der neue Flyer markiert so etwas wie eine Fortschreibung der queeren Seelsorgearbeit in Frankfurt. Denn sie richtet sich längst nicht mehr „nur“ an schwule und lesbische Katholik:innen und deren Familien, sondern an alle, die sich als „queer“ identifizieren, also lesbische, schwule, bisexuelle, transidente, intersexuelle oder non-binäre Menschen, die oft auch unter dem englischen Sammelbegriff „LGBTQIA+“ zusammengefasst werden.
Allein aus dieser Begrifffrage heraus war es notwendig, die 2014 mit Schaffung der Anlaufstelle gedruckten Info-Materialien zu überarbeiten. „Seit dieser Zeit haben sich völlig neue Begrifflichkeiten etabliert, es war an der Zeit“, sagt Ansgar Wucherpfennig. „Die Kategorien ,schwul‘ und ,lesbisch‘ verschwinden immer mehr, sie gehen im Begriff ,queer‘ auf.“ Dazu kommt, dass er seit Juli eine neue Kollegin hat: Monika Stanossek, Seelsorgerin und geistliche Begleiterin, war bis zur Rente diesen Sommer Pastoralreferentin in Maria Hilf und St. Gallus (beide gehören seit diesem Jahr zur neuen Pfarrei St. Hildegard). In dieser Funktion begleitete sie 30 Jahre lang das Projekt Schwul und Katholisch (PSK), das in Maria Hilf Gottesdienst feiert.
Es hat sich viel getan – sehr viel
Die Anlaufstelle wurde 2014 auf einen Vorschlag von schwulen und lesbischen Katholik:innen aus verschiedenen Initiativen, unter anderem aus dem Projekt Schwul und Katholisch, eingerichtet und ehrenamtlich mit einem Zweier-Team besetzt, einem Mann und einer Frau. Ansgar Wucherpfennig ist von Anfang an dabei, viele Jahre war Schwester Helga Weidemann seine Kollegin. Dabei ist es wichtig, die aktuellen Entwicklungen zu verfolgen. Denn seit Beginn des Synodalen Weges 2019 und auch seit Ausstrahlung der Dokumentation „Queer in Church“ im Januar 2022 hat sich viel in diesem Bereich getan und tut sich weiter.
„Der Bedarf, mit dem Menschen zu uns kommen, ist ganz unterschiedlich“, sagt Pater Wucherpfennig. Die Seelsorgegespräche dauern gewöhnlich etwa eine Stunde. „Es kommen Leute, denen es an sich gut geht mit ihrem Queer-Sein, in deren Umfeld es jedoch jemanden gibt, der kein Verständnis hat. Es kommen auch Menschen, die mit ihrem Schwulsein zurück zur kirchlichen Moralpraxis möchten, also enthaltsam leben, dadurch aber sehr allein sind und darunter leiden. Und es kommen auch Verwandte, die jemanden in einer Outing-Phase begleiten und erfahren möchten, wie sie den- oder diejenige gut unterstützen können.“ Dass Menschen zu einem Gespräch kämen, weil sie ihre:n Angehörige:n im Queer-Sein überhaupt nicht annehmen können und ihn oder sie ändern wollen, sei hingegen noch nie vorgekommen. „Ich denke, das liegt daran, dass wenn man eine wirkliche Beziehung zu einem Menschen hat, wenn man involviert ist, dass man auf die Idee gar nicht kommt“, so Ansgar Wucherpfennig, der übrigens auch regelmäßig von nicht-queeren Menschen angesprochen wird, die einfach an dem Thema interessiert sind und neue Entwicklungen in der Kirche dazu verfolgen.
Gespräche, gerne anonym
Die Seelsorge-Gespräche finden manchmal in Liebfrauen statt, häufig aber auch an anderen Orten. Denn Frankfurter Katholik:innen, die sich mit ihm und seiner Kollegin verabreden möchten, tun dies dann oft lieber an Orten wie Cafés, Parks oder in einem Besprechungsraum der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen. Dort ist Wucherpfennig Professor für Exegese des Neuen Testaments und war von 2014 bis 2020 auch Rektor. Generell, so hat er beobachtet, kommen neben den Frankfurter:innen selbst auch viele Leute zu Gesprächen aus dem Umland nach Frankfurt, weil sie die Anonymität der Großstadt schätzen und lieber dort mit jemandem sprechen möchten als in ihrer Heimatgemeinde.
Wucherpfennig hat die Hoffnung, dass auch die anderen neuen Regionen des Bistums eine eigene Seelsorge mit queeren Menschen etablieren. Das hofft auch Monika Stanossek: „Es ist ein wichtiges Zeichen in die Gesellschaft hinein und kein reines Großstadtthema.“
Weitere Informationen und Kontaktmöglichkeiten sind unter www.frankfurt-katholisch.de/queer zu finden. Dort kann auch der neue Flyer heruntergeladen werden.
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