„Ein würdevolles Leben für Juden und Nichtjuden, das war 1920 der Wunsch des Stifterehepaares Henry und Emma Budge“ – von den Nazis geschlossen, 1968 an der Wilhelmshöher Straße wieder eröffnet, ist das Altenheim „ein Kleinod, etwas ganz einzigartiges“, wie Pfarrerin Melanie Lohwasser sagt.
Es ist die Woche vor Weihnachten, noch im Talar sitzt die Theologin im Großen Saal. Zusammen mit ihrem katholischen Kollegen Pradyut Bahla, hat sie gerade eine „Jüdisch-christliche Feiertagsandacht“ zu Chanukka und Advent gehalten, so war es zumindest gedacht. Der dritte im religiösen Team, Rabbiner Andrew Steiman, musste kurzfristig absagen, Corona, er ließ bedauernd grüßen.
Rund 70 Leute sind gekommen, sitzen nach der Andacht an den tannendekorierten Tischen, genießen Kreppel in Anlehnung an das Schmalzgebäck, das bei Chanukkafeiern gereicht wird. „Es war schon ein komisches Gefühl“ den Chanukka-Leuchter zu entzünden in Vertretung des erkrankten Rabbiners und nicht nur die drei Kerzen des Adventskranzes, sagt die 50 Jahre alte Theologin, die seit fünf Jahren in dem Haus tätig ist. Ihr katholischer Kollege, 39, arbeitet seit knapp zwei Jahren im Budgestift, Andrew Steiman, geboren 1958 in New York, hat 2003 seine Tätigkeit in dem Altenheim aufgenommen.
„Ich finde das Zusammenwirken sehr bereichernd“, äußert Bahla, der noch in drei weiteren Frankfurter Altenheimen beschäftigt ist und an der Hochschule Sankt Georgen promoviert. Lohwasser, die lange in der Luthergemeinde im Nordend mit der anderen halben Stelle als Pfarrerin tätig war und seit diesem Sommer im Markus-Krankenaus als Seelsorgerin arbeitet, sagt mit Blick auf die Stiftung: „Ich habe mich sehr bewusst für dieses Haus entschieden.“
An Heiligabend wird in dem christlichen Gottesdienst, den sie im Budge-Haus hält „natürlich auch ,O du fröhliche´“ gesungen, sagt die Pfarrerin. An diesem Nachmittag wird „Macht hoch die Tür“ zu Beginn angestimmt, am Ende der Andacht, während sich die Dämmerung über den Seckbacher Hang senkt, „Der Mond ist aufgegangen“. „Tochter Zion“ singt der Budge-Chor auf Hebräisch und Deutsch. Eine Dame, Chormitglied, schiebt ihren Rollator nach dem Auftritt raus, „meinen Kindern habe ich geschrieben, ich lerne jetzt sogar Hebräisch“, und strahlt Pfarrerin Lohwasser an.
Juden, Jüdinnen, Menschen, die sich bewusst für eine christlich-jüdische Einrichtung entschieden haben, leben in dem Haus, das 300 Plätze hat, „oder einfach Leute aus der Nachbarschaft, die in Seckbach oder Enkheim gewohnt haben “ ziehen ein, berichtet Lohwasser. An diesem Nachmittag ist die Andacht Teil des „Seckbacher Adventskalenders“.
Viele Menschen im Budge-Stift haben Verbindungen nach Israel, Verwandte, zum Teil haben sie selber dort gelebt. Im Gebet denkt die Pfarrerin an den aktuellen Konflikt in Nahost, an die israelischen Geiseln, die Getöteten, den Krieg, sie bringt im Gebet auch all jene Menschen in Gaza, die unschuldig in den Krieg hineingerissen werden vor Gott.
Die Liedauswahl, die Gebete wollen sorgsam bedacht sein, bei den interreligiösen Andachten, die „auf sehr gute Resonanz stoßen, auch zu anderen Zeiten“. Melanie Lohwasser ringt mit Formulierungen, aktuell noch mal mehr, erleichtert wird es ihr durch „den besonderen Geist und die Gemeinschaft“. Während der Andacht sitzt eine muslimische Mitarbeiterin dabei, weißes Kopftuch, auch sie gehört zu diesem Altenheim.
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